von Gastautor Sebastian Zimmer, Oranienburg
Im Jahre 2021 fingen meine Frau und ich an uns näher mit unseren beiden Familiengeschichten auseinander zu setzen. Ausschlaggebend war ein Todesfall, der uns sehr bewegte und uns klar machte, wie wenig wir eigentlich wussten. Wir setzen uns das Ziel von den noch Lebenden alles zu erfahren, was es zu erfahren gibt, um diese Erkenntnisse zu Sammeln und zu Dokumentieren. Wir erstellten Stammbäume und erhielten schnell im Internet viele Treffer. Erstmals konnten wir Urkunden und öffentliche Eintragungen über unsere Familie einsehen.
Das machte viel Spaß und steigerte unsere Motivation weiter zu suchen. Wir suchten im Internet nach Familienmitgliedern abstammend von den Löwenhardts. Hier sind wir auch auf die Seite von John Löwenhardt gestoßen. Durch die einzusehenden Daten auf der Seite der Löwenhardt Foundation kamen wir erstmals zu der Erkenntnis, dass die Familie aus Westdeutschland/ Oberhemer kam und nicht zu unserer Löwenhardt Familie aus Berlin/ Brandenburg passte. Wir stellten daher somit keinen Zusammenhang oder Verbindung her, was sich später als falsch darstellen würde.
Vor einigen Jahren erhielten wir zusätzliche Informationen über unsere Familie von einer Cousine meiner Großmutter. Marion Lubina besaß Dokumente, Fotos und Aufzeichnungen. Mit ihr haben wir uns auseinandergesetzt, dass wir jüdischer Abstammung sind. Ich war sehr erstaunt, da keinerlei Traditionen oder Hinweise weitergegeben wurden. Viele Fragen stellten sich mir und auch meine Suche bekam dadurch eine andere Kehrtwendung.
Im Anschluss dazu erfuhr ich auch von näheren Verwandten kleine wichtige Details. Immer wieder kam die Frage auf, sind wir wirklich jüdischer Abstammung? Woran macht man das fest und war das auch unsere Vorfahren bewusst? In der Familie herrschte Uneinigkeit darüber. Einige konnten die Zusammenhänge nicht richtig verstehen. Nur in einem Punkt herrschte Klarheit, dass meine Uroma Gerda Eischleb Jüdisch war. Von ihr hatten sie eine Todesurkunde in hebräischer Schrift.
Zu diesem Zeitpunkt überlegte ich zusammenfassend, welche Daten ich hatte. Ich wusste meine Uroma Gerda war Jüdin und war verheiratet mit einem nicht-Juden, Curt Eischleb. Sie besaßen ein Schreibmaschinengeschäft in Berlin Charlottenburg. Meine Ururoma mütterlicherseits hieß Selma Löwenhardt. Sie wohnte in der Kleiststraße in Berlin Schöneberg.
Beim Stammbaumschreiben fiel mir auf, dass größtenteils die Frauennamen bekannt waren, aber die der Ehemänner nicht. So auch bei meiner Ururoma Selma. Egal welchen Verwandten ich fragte, immer bekam ich die Antwort, dass sie sich sicher seien, sie hieß Selma. Wie jedoch der Mann hieße, wäre ihnen nicht bekannt. Genau das weckte meinen Ehrgeiz, endlich den Namen des Ehemannes von Selma zu wissen und Klarheit zu haben. Mich interessierten natürlich auch andere Details wie der Geburtsname von Selma und wie sie verstorben ist. Denn über die Todesursache gab es nur Spekulationen. Parallel dazu beschäftigte mich weiterhin die „jüdische Frage“, inwiefern allen Vorfahren bewusst war, dass sie jüdisch waren und wie intensiv sie Sitten und Gebräuche auslebten?!
Mit allen Informationen, die ich bis dahin gesammelt hatte, suchte ich im Internet nach allem, was ich finde konnte. Ich wurde schneller fündig wie gedacht. In einem alten Telefonbuch fand ich ihren Nachnamen. Der Geburtsname von Selma war Dobriner, wohnhaft in der Kleiststraße 3. Der Eintrag bestätigte meine vorherigen Daten. Der Hinweis auf ihren Nachnamen machte es mir einfacher an weitere Details zu kommen.
Jetzt suchte ich bei einem Stammbuchportal und fand Übereinstimmungen verknüpft mit Unterlagen, die belegten, dass Sie im Jahre 1942 zusammen mit einem Heinz Löwenhardt mit der „Welle Acht“ nach Ghetto Riga deportiert und ermordet wurde.
Wer war Heinz Löwenhardt? War er das Kind oder ein Ehemann von Selma? Ein Kind von dem die Nachfahren nichts wussten, brachte erstmal Skepsis auf. Wir suchten nach weiteren Belegen dafür wer Heinz Löwenhardt war. Es war erstmal schwierig etwas über ihm heraus zu finden. Zu dem Namen Heinz Löwenhardt gab es mehrere Übereinstimmungen.
Kurze Zeit später fand ich die Eheurkunde von Selma Dobriner. Alles wurde in Sütterlin Schrift geschrieben, was für uns nicht so leicht zu entziffern war. Nach mehreren Versuchen laßen wir die Eheschließung zwischen der Ehefrau Selma Löwenhardt, geborene Dobriner, im Jahre 1870 in Filehne abstammend von Hermann und Ernestine Dobriner, geborene Leiser. Und dem Ehemann Salomon Löwenhardt (Kaufmann), geboren in Oberhemer im Jahre 1873, abstammend von Levy Löwenhardt und Pauline Lennhoff. Sie heirateten am 28. August 1903 in Berlin Schöneberg.
Was für ein Fund. Ein einziges Dokument, was so viel Aussagekraft besaß. Wir hatten somit den Namen des Ehemannes, die Eltern von Ihm und von Selma, sowie das Heiratsdatum mit dem Ort herausgefunden. Mit der Erkenntnis war klar das Salomon der erstgeborene Sohn der Löwenhardts aus Oberhemer war und die Verbindung zur Seite von John Löwenhardt doch von Anfang an die richtige Spur war. Zusätzlich wussten wir, dass Heinz Löwenhardt nicht ihr Ehemann sein konnte. Wir vermuteten nun, dass es ihr Sohn sein musste.
Auf der Homepage bzw. Facebookseite Löwenhardt Foundation suchten wir nach weiteren Übereinstimmungen oder Hinweisen. Wir entdeckten das Bild der Gartenparty in Woodstock Illinios im Jahre 1956. Das Bild lenkte erstmal unsere Recherche in eine andere Richtung. Da wir andere Familienmitglieder erkannten. Käthe Meyerowitz, Tochter von Selma und Salomon Löwenhardt, und Alfred Meyerowitz saßen zusammen mit ihrer Tochter Alice Meyerowitz an einem Tisch im Grünen. Die jüngste Person Gerda Meyerowitz war uns nur durch die Einbürgerungsbescheide bekannt. Die Familie Meyerowitz wohnhaft in Berlin, tauchte unabhängig voneinander in ganz Deutschland unter, um zu überleben. Johanna Löwenhardt musste die Tante sein. Ein Familienfoto aus den USA zu finden war ein Glücksfall und überwältigend.
Die Geschichte zum Foto „Gartentreff in den USA“ von John Löwenhardt kann näher hier nachgelesen werden. Eine wichtige Verknüpfung zur gesamten Löwenhardt Familie aus Oberhemer und dem Überlebenden John Löwenhardt ist damit zu Stande gekommen. Das war mehr als wir uns erträumt hatten. Die Stammbaumerweiterung war riesig. Ein reger Austausch der Informationen fand nun mit John Löwenhardt statt.
Fortsetzung: 1. Das Grab von Uroma Gerda; 2. Das Grab von Ururgroßvater Löwenhardt
Ein großen Dank an meine Frau Tamara für die Recherche und große Unterstützung beim Verfassen der Texte.
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